Rudi Gutendorf
 

Rudi-Rastlos

aus "BILD", 28.10.1999 

Elegant, schnell und trickreich: Rudi Gutendorf, jahrelang Rechtsaußen in der großen Neuendorfer TuS-Mannschaft

 


Rudi beim Gewinn des Schweizer-Cup's 1960 mit FC Luzern im Berner Wankdorf-Stadion

 

Mit Gregor Gysi bei Beckmann, Jan 2001

 

1998 als Cheftrainer der Nationalmannschaft von Mauritius

 

Nationalteam von Nepal nach dem 2:0 Sieg gegen Indien in Kathmandu

 

 

 

Der wildeste Trainer der Welt zieht noch mal los – mit 73

Deutschland diskutiert über die Rente mit 60. Rudi Gutendorf kann darüber nur lachen: Mit 73 Jahren wird er noch einmal Nationaltrainer – im afrikanischen Ruanda, einem der ärmsten und gefährlichsten Länder der Welt.

Rudi, der bunteste Hund des deutschen Fußballs. Was treibt Trainer-Globetrotter Gutendorf in diese Hölle. Ist es die Sucht, seinen Weltrekord (Ruanda wird nach eigener Berechnung Station Nr. 54) weiter hochzutreiben?

„Nein, das ist es nicht“, sagt Rudi, der in seinem romantischen Domizil, einem alten Telegraphenturm im Westerwald, der unglaublichen Mission entgegenfiebert.

„Auch wenn es mir in Deutschland keiner glauben will: Ich bin noch genauso fit wie vor 20 Jahren und will kein Pensionärs-Dasein führen. Angebote aus der Bundesliga habe ich schon seit Jahren nicht mehr bekommen. Da nehme ich eben die Chance in Afrika wahr.“

Warum muss es gerade Ruanda sein?

Gutendorf: „Als Trainer einer Prominenten-Mannschaft habe ich mal den ruandischen Botschafter aufgestellt, zusammen mit Wolfram Wuttke und Uli Stein.  Hinterher bat er mich, seiner Heimat zu helfen. Nachdem Ruanda die Zentralafrikanische Meisterschaft gewonnen hat, will man sich auch für die WM 2002 qualifizieren. Mit Fußball kann ich diesem zerrütteten Land nach dem Bürgerkrieg helfen.“

Geld hat Ruanda nicht zu bieten. Botschafter Bernard Mazuka schrieb Gutendorf: „Wir können nur Unterbringung und Transportkosten in Ruanda übernehmen.“ Sogar den Flug dorthin muss Rudi wohl selbst  bezahlen. Das Land Rheinland-Pfalz sponsort seine Gage.

Gutendorf: „Vielleicht wird es das letzte Abenteuer meiner Karriere.“

Rudi, der wildeste Trainer der Welt. Keiner hat soviel erlebt wie er.

  • 1973 gerät Gutendorf in Chile in den Putsch von Pinochet: „Ich war befreundet mit dem sozialistischen Präsidenten Allende. Unmittelbar bevor der Angriff auf seinen Regierungspalast losging, konnte ich mit der letzten Maschine außer Landes fliehen.“
  • In Guatemala sitzt er in einem verlausten Knast, mit Mördern und Vergewaltigern in einer Zelle. Rudi hatte die nächtliche Ausgangssperre missachtet.
  • Im brasilianischen Urwald erlebt er bei den Dreharbeiten zum Film „Aguirre, der Zorn Gottes“ den Zorn von Klaus Kinski. Im Wutrausch zerschlägt der Schauspieler eine stinkende Latrine, ballert um sich, will den Film abbrechen. Regisseur Werner Herzog hält Kinski ein Gewehr unter die Nase: „Wenn du uns verlässt, verlässt du auch die Bühne.“ Kinski macht kleinlaut weiter. Übrigens: Herzog  hat gerade einen Film über Rudi Gutendorf („Der Ball ist ein Sauhund“) gedreht, der in diesen Tagen bei den Festspielen im bayerischen Hof aufgeführt wird.
  • In Tansania kämpft er gegen Vodoozauber in der eigenen Mannschaft. Beim Afrikacup tragen seine Spieler nachts das Blut eines geschlachteten Tieres in den Strafraum, färben damit die Linien ein. Sambia weigert sich, auf dem verhexten Platz anzutreten. Der Rasen muss mit Sand neu abgedeckt werden. Gutendorf: „Dann stellten hinter meinem Rücken die Medizinmänner meine Mannschaft um – und wir verloren.“
  • In den Anden feiert Gutendorf das lebensgefährliche Fest eines Bergstammes, bei dem die Potenz der Dorf-Ältesten auf die Probe gestellt wird. Wer trotz aller zärtlichen Hilfsversuche durch dei Mädchen des Dorfes sein Manneskraft nicht beweisen kann, wird fortgejagt. Gutendorf – klar – besteht natürlich ...

Dagegen erscheinen seine Jobs in der Bundesliga regelrecht harmlos. Mit dem MSV Duisburg wurde Rudi 1963/64 Vizemeister, scheiterte später mit Kevin Keegan beim HSV, flog in Schalke, Stuttgart, Offenbach, TeBe Berlin und 1986 bei Hertha – sein letzter Job in Deutschland.

Rudi, der bunteste Hund des deutschen Fußballs – irgendwie fiel er immer wieder auf die Füße.

Nach Ruanda muss er allerdings allein ziehen. Seine australische Ehefrau Marika und Sohn Fabian gehen für ein Jahr nach Sydney – und warten dorrt auf ihren –Rudi Rastlos...