Rudi Gutendorf

 

73 und kein bisschen weise

Rhein-Zeitung Koblenz

Rudi Gutendorf auf der Trainerbank

 

April 2001: Tor zum 2:1 von Ruanda in Kigali gegen Elfenbeinküste

 

Jubelpose nach dem 2:0 des TeBe gegen den Lokalrivalen Herta BSC Berlin

 

Lotto-Prominenten-Team mit W. Overath und Sohn Fabian

 

1950: Rudi aktiv beim 2:2 gegen Berlin

 

 

Der Koblenzer Fußball-Globetrotter Rudi Gutendorf hält mit seinen unzähligen Stationen vermutlich den Weltrekord an Trainerstellen. Doch mit der Betreuung der ruandischen Nationalmannschaft hat sich der Weltenbummler auch die schwerste Aufgabe seiner Karriere aufgehalst: „Ja, es ist mit Abstand der härteste Job.“

Trostlos ist es in Kigali, der Hauptstand von Ruanda. Einen Stadtkern gibt es nicht. Geschweige denn eine Geschäftsmeile, wo Rudi Gutendorf einmal spazieren kann. Belebung bringt nur der große Markt, doch der schreckt wegen der immensen Fliegenplage ab. „Es ist unter aller Sau“, beklagt der 73-jährige die erbärmlichen Zustände im Land. Dabei war Rudi Gutendorf schon einiges gewohnt, schließlich hat er schon einige „Härtefälle“ in seiner Laufbahn mitgemacht.

Doch wenigstens ist es in der Hauptstadt sicher. Nach den Massakern vor sechs Jahren haben sich die verfeindeten Stämme etwas versöhnt. Lediglich an den Grenzen zum Kongo und Burundi tauchen immer wieder Scharmützel auf.

An solch einem verwahrlosten Ort hilft, wen wundert’s, der Fußball. Er bietet so etwas wie Abwechslung. Zehn Vereine umfasst die höchste Spielklasse des Landes, fünf Klubs kommen dabei aus der Hauptstadt. Gespielt wird allerdings nur in einem Stadion, und das ist gut besucht. Während bei Rudis erstem Training die Ränge mit 40 000 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllt waren, kommen zu den Meisterschaftsspielen um die 20 000. Zugleich stehen Zehntausende vor den Toren, weil sie sich den Eintritt nicht leisten können. Sie hoffen, durch kleine Schlupflöcher einen teil des Geschehens irgendwie erhaschen zu können. Das lenkt von der bitteren Armut ab.

Die Armut schweißt aber auch zusammen. Vor allem die Fußballer. Die sind zwar keine Profis im europäischen Sinne, aber es geht ihnen etwas besser als der übrigen Bevölkerung. „Das motiviert“, freut sich Gutendorf, aber es macht ihm die Arbeit nicht leichter. 30 Spieler hat er  zusammen gezogen, knapp die Hälfte muss er aussortieren, wenn es Anfang April ernst wird in der WM-Vor-Qualifikation gegen die Elfenbeinküste.

In diesen Duellen ist Ruanda krasser Außenseiter, aber Rudi Gutendorf hofft auf seinen bewährten Riegel und die Tücken des Stadions in Kigali. „Wenn die Elfenbeinküste mit ihren verwöhnten Profis aus Frankreich und der Türkei kommt, werden die sich wundern“, hofft Rudi auf die große Sensation. Schließlich kennen seine Spieler die Tücken des Untergrunds, bei dem jeder Spielzug mit Zufällen behaftet ist. Eine bessere Chance erhofft sich Gutendorf, wenn es gelingt, den einzigen ruandischen Profi – er spielt in der Türkei – motivieren könnte, für sein Heimatland aufzulaufen.

Das dürfte ähnlich leicht zu lösen sein, wie der Duisburger Sprung in die Champions League in der laufenden Saison. Denn der Spieler will nicht, weil’s kein Geld gibt. Nicht mal für die Anreise. Der Verband ist chronisch pleite und reagiert manchmal wenig zimperlich. Das musste einer von Rudis  Flüchtlingen aus der Bitburger Sportschule erfahren, der reumütig zurückgekehrt ist. Gleich nach seiner Ankunft wurde der Akteur, Angehöriger einer Militärmannschaf, verhaftet. Wie es mit ihm weitergeht, weiß keiner. Rudi Gutendorf sprach beim Vizepräsidenten der Regierung vor und versuchte, europäische Werte zu vermitteln: „Sport ist nicht zum Bestrafen, sondern zum Versöhnen.“ Ob’s hilft, wird sich zeigen.

Ähnlich schwierig sehen die Alltagssorgen des Übungsleiters aus. Es fehlt praktisch an allem, sogar an Bällen. Wenigstens etwas hilft die gespendete Ausrüstung. Einen Unterbau im Nachwuchsbereich gibt es ebenso wenig wie qualifizierte Trainer; nicht der einzige Grund, für Jemanden zu resignieren. Auch die Disziplin der Spieler lässt zu wünschen übrig. „Technisch sind die so gut wie Deutsche oder Engländer, aber die wisse nicht, was Taktik ist.“ Das oll sich durch Riegel-Rudi ändern.

Aber die Zeit zur Vorbereitung ist zu knapp. Nur drei Tage pro Woche stehen Rudi mit der Mannschaft zur Verfügung, die restlichen Tage müssen die Kicker für ihre Klubs spielen. Trainiert wird im 25 Grad warmen Kigali zwei Mal täglich. Die einheimischen Spieler aus der Hauptstadt müssen zu Hause Mittagessen, die auswärtigen dürfen in einem Hotel logieren – für alle ist kein Geld da.

Wen wundert’s, dass Rudi Gutendorf am Telefon Heimweh spüren lässt, auch wenn er sich vor der Aufgabe nicht drücken will. Er lebt in einem Vier-Sterne-Hotel, ist oft bei der deutschen Botschafterin und deren Personal eingeladen. Abwechslung gibt’s in Form eines deutschen Restaurantbesitzers, der hin und wieder Spezialitäten im Armenhaus Afrikas auftischt. Letzte Woche konnte Rudi Gutendorf dort Schweinshaxe genießen.

Der einzige Luxus, den der Koblenzer Weltenbummler seit Anfang Februar in Ruanda kennen lernte. Vielleicht wird er ja doch heimisch...